Sonntag, 9. März 2008

Kommunikation in der IZA

a) Wie ist es Dir gelungen, mit den Landsleuten in Kontakt zu treten?

Ziemlich am Anfang meines Praktikum stand ein 3 tägiger Sprachkurs auf dem Programm. Ein Madagassischlehrer des örtlichen Gymnasiums hat mir und meinen 5 Mitpraktikantinnen die Tücken dieser für uns sehr fremden Sprache brilliant erklärt und wir haben schnell gemerkt, dass “Gasy”, abgesehen von den vorerst unverständlichen Wörtern, eine ziemlich einfach Sprache ist. Es gibt weder Singular noch Plural, keine Deklination oder Konjugation und die drei Zeitformen unterscheiden sich in nur einem Buchstaben. Ich war von Anfang an sehr motiviert, diese Sprache zu lernen und nach diesem Einführungskurs war es mir auch klar, dass es möglich ist, in 3 Monaten echt weit zu kommen.
Was wir damals noch nicht verstande haben war, wie aufgeschmissen man ohne Madagassischkenntnisse in den kleinen Dörfern war, wo wir gearbeitet haben. Französisch wurde hier kaum gesprochen und so war ich um jede Stunde froh, die ich ins Wörtchenbüffeln investiert habe.
Gleich nach dem Sprachkurs habe ich 3 Wochen bei einer Gastfamilie gewohnt. Da meine Sprachkenntnisse zu diesem Zeitpunkt noch mehr als dürftig waren, habe ich oft andere Mittel der Kommunikation wählen müssen. Mit der kleinsten Gastschwester Soaclanie Enida habe ich oft Gummitwist gespielt und ihr ohne Worte die Schweizerversion davon gezeigt. Mit der ältesten Gastschwester Razafindrasoma Constancine habe ich oft wortlos über ihr Baby kommuniziert. Indem wir beide mit ihm gespielt haben, gelang es mir, Zeit mit ihr zu verbringen, ohne dass dauernd geredet werden musste. Mit meinen Gasteltern habe ich oftmals meinen Französisch-Malagasy-Dixionär hervorgekramt, obwohl ich mit dem Umweg übers Französisch manchmal wohl nicht ganz das richtige Wort gefunden habe…


b) Was hat, neben der Sprache, den Austausch mit den Landsleuten behindert?

Bei vielen Madegassen, mit denen ich gearbeitet habe oder die ich sonst getroffe habe, war es klar, dass ich aus einem 1.Welt-Land komme und deshalb unmöglich wie sie leben kann. Für sie hatte ich unvorstellbar viel Geld und natürlich kann ich auch verstehen, dass sie mir nicht glaubten, dass das so nicht wirklich stimmt. Schliesslich hat schon meine Kamera mehr gekostet, als ein Kleinbauer je besitzen wird. Es hat mich viel Energie gekostet, wenigstens meine WWF-Kollegen davon zu überzeugen, dass ich nicht mehr brauchte als sie. Anfangs wollten sie mich nämlich immer ins beste Restaurant der Stadt bringen, während sie selber in eine günstigere Spelunke gingen. Auch haben sie oft speziell für mich Salat bestellt, während sie sich mit Reis und einer dünnen Sauce begnügten. Wir haben viele Diskussionen geführt und ich habe bis zum Schluss nicht ganz verstanden, wieso es so unmöglich sein sollte, dass ich in Madagaskar leben wollte wie sie.
Mit der Zeit hatte ich das Gefühl, dass diese komischen Barrieren abgebaut waren, doch auch dann musste ich mir noch anhören, dass ich nicht leben könne wie sie, als ich nämlich krank wurde. Wie wenn das einem waschechten Madagassen nie passiert ☺

c) Was hat ihn gefördert?

Meine Offenheit hat mich in Madagaskar sicher am weitesten gebracht. Ich fand jeden Tag in diesem Land wahnsinnig spannend und wurde nicht müde, mit den Leuten zu sprechen und mehr über ihr Leben in Erfahrung zu bringen.
Auch die Aufgabe, die der WWF International uns Praktikanten gestellt hatte, hat dabei geholfen. Mit einer Videokamera ausgerüstet, wurden wir dazu aufgefordert, einen Film zu drehen. Mit dieser Motivation war es auch einfacher, immer wieder rauszugehen und mit Leuten zu sprechen, die vielleicht etwas zum Film beitragen könnten.
Die Ergebnisse der “Storytelling”-Aufgabe sind übrigens auf http://panda.org/how_you_can_help/volunteer/volunteer/volunteer_stories/madagascar/martina_lippuner/index.cfm zu finden und werden im Forumsvortrag vom 8.Mai präsentiert.


2. a) Inwiefern spielen Deiner Meinung nach kulturelle Unterschiede bei der Kommunikation eine Rolle?

Da das Leben auf dem Land in Madagaskar wohl nicht unterschiedlicher von meinem eigenen hier in Zürich sein könnte, wäre ein tiefes Verständnis beider Kulturen für eine reibungslose Komunikation nötig gewesen. Natürlich ist es eine Illusion, dies in 3 Monaten erreichen zu wollen, auch wenn man es tagtäglich versuchen muss. Auch kommunizieren die Madagassen viel weniger direkt als wir. Wie oft habe ich es erlebt, dass eine Frage viel zu direkt rüberkam und mein Gegenüber verlegen zur Seite blickte und nicht recht wusste, was er darauf antworten sollte! Auch die Fadys, das madagassische Konzept von Tabus, sind allgegenwärtig und beeinflussen nebst dem täglichen Leben auch die Kommunikation. Fadys kann es auf Gemeinde-, aber auch Familien- und individueller Ebene geben. So kann es zum Beispiel in einem Dorf Fady sein, über den Wald zu sprechen! Oder es ist Fady, Fragen über ein Tier im Wald zu stellen. Auf all dies muss man sich in Madagaskar einstellen. Wir haben jeweils den Dorfältesten eines Dorfes gefragt, was die örtlichen Fadys sind. Auch unsere Gesellschaft kennt Tabus, aber in Madagaskar sind sie für uns so schwer nachzuvollziehen, dass man sie einfach fraglos akzeptieren muss. Eine andere Lösung gibt es nicht!

b) Hast Du ein eindrückliches Beispiel dazu?

Das Zeitverständnis ist in Madagaskar ein ganz und gar anderes und zwar auf der ganzen Ebene. Bis zum Schluss ist es mir passiert, dass ich eine Frage wie “A quelle heure…?” gestellt habe und jedes Mal bekam ich die Antwort “Tsisy montre” - es gibt keine Uhr. Darüber kann man noch lachen, sich selber an den Kopf fassen und sich vornehmen, das nächste Mal daran zu denken. Schwieriger wirds, wenn man abgemacht hat, morgen ins nächste Dorf zu fahren, nach dem Aufstehen alle Siebensachen packt, kurz nach Sonnenaufgang bereit steht und einem ein “Agent de terrain” von WWF wie selbstverständlich mitteilt, dass man heute doch noch nicht gehen könne. Als er dann auch keine Begründung nachliefert sondern etwas wie “das ist jetzt halt so” brummelt, so fällt es schon schwerer, die Contenance zu behalten.


3. a) Kannst Du aus dem Erlebten einige Erkenntnisse und Regeln ableiten, welche generell für eine gelungene Kommunikation zwischen Menschen unterschiedlicher Kulturen gelten könnten?

Da man in einer fremden Kultur die andere Partei nie ganz und gar verstehen kann, muss umso mehr an der eigenen Einstellung und Motivation gefeilt werden. Meine Erkenntnis aus meinem Madagaskaraufenthalt ist: Im Zweifel für den Angeklagten. Sie hat sich sehr bewährt. Wie oft schien mir eine Aussage unverständlich oder eine Handlung unangebracht! Mit diesen Unklarheiten umzugehen fiel mir sehr viel leichter, wenn ich jeweils annahm, dass mein Gegenüber seine Gründe hatte dies zu tun oder zu sagen, auch wenn sich mir die Gründe bis jetzt noch nicht erschlossen hatten. Oft hätte ich mich nach Aufbrausen gefühlt und war im Nachinein doppelt froh, cool reagiert und mir die Sache zweimal überlegt zu haben.
In meinem Praktikum war ich im Vergleich zu den Leuten, die ich getroffen habe, weitgereist. Deshalb war es für mich auch klar, mich mehr auf die Leute vor Ort einzustellen, als dass ich dasselbe von ihnen erwartete. Am besten fährt man wohl, wenn man nichts als logisch annimmt und mit allem rechnet. Nur dann ist man nie unnötig beleidigt und offen für die neue Lebensweise.
Auch sollte man in jedem fremden Land zuerst herausfinden, was für die Leute besonders wichtig ist. In Madagaskar war das der Respekt vor den Älteren. Ihn erbieten zu können erforderte einige Höflichkeitsfloskeln, die ich mir fast als erstes aneignete. Und da die Leute das von einer “Vazaha”, einer Fremden, offensichtlich nicht erwarteten, hatte ich bei vielen sofort einen Stein im Brett. Dies hat mir die Arbeit enorm erleichtert.

Donnerstag, 3. Januar 2008

Zukunft in der IZA?

mInwiefern entspricht Dein Einsatz dem, was Du erwartet hast?
Ich habe sehr genau gesehen, wie eine lokale Agentur einer grossen NGO wie dem WWF arbeitet und funktioniert. Ich habe eine neue Kultur kennen gelernt und Kenntnisse einer neuen Sprache erworben. Im direkten Austausch mit der lokalen Bevoelkerung habe ich ihre Probleme genau nachvollziehen und die Umsetzbarkeit der verschiedenen Loesungsansaetze beurteilen koennen. Dies alles habe ich gehofft und wurde in meinem Praktikum vollumfaenglich erfuellt.

Siehst Du Dich auch in Zukunft im Umfeld einer internationalen Zusammenarbeit?

Ich kann mir nach wie vor sehr gut vorstellen in der IZA zu arbeiten. Ein grosser Test fuer mich war herauszufinden, ob mich die Ineffizienz in einem Entwicklungsland zu sehr frustriert. Vielleicht sind 3 Monate zu kurz um das abschliessend beurteilen zu koennen, vielleicht ist das etwas was einem langsam zermuerbt. Ich finde aber, dass ich ziemlich gut damit habe umgehen koennen – eine Grundvorausssetzung, wenn man in der IZA taetig sein moechte – wie ich finde.
Ich habe den direkten Kontakt mit der lokalen Bevoelkerung extrem genossen, sei es mit den WWF-Agenten aber auch mit den Leuten in den kleinen Doerfern, in denen wir gearbeitet haben. Ich glaube nur wenn der gegenseitige Respekt da ist, kann etwas bewirkt werden.


Wo hast Du Zweifel? Wo musstest Du Deine anfaengliche Einstellung ueberdenken?
Man kann sich noch so viel Muehe geben sich zu integrieren, ein Stueck weit bleibt man immer Vazaha, fremd, anders, intressant aber nicht ganz zugehoerig. Auch wenn ein Madagasse alles mit einem teilt, man an jeder Feier eingeladen wird und herzlich in der Familie aufgenommen wird, so spricht er noch nach Wochen von der Vazaha – und nicht von Martina.
Ich glaube fest daran, dass kulturelle Barrieren ueberwunden oder zumindest minimiert werden koennen aber ich glaube auch, dass das sehr schwierig und energieraubend ist. Selbst mit den besten Absichten kann es manchmal unmoeglich scheinen und darum frustrieren. Und dann wir man zur verlorenen Seele im fremden Land, die sich verzweifelt andere Europaeer sucht um sich nicht ganz so verloren und alleine vorzukommen und darauf habe ich wenig Lust. Ein grosser Reiz an der IZA ist es ja genau, im Ausland zu leben, eine andere Kultur kennenzulernen und sich hier dann nur im Kreise von Expats zu bewegen (wie man das hier in Tana oft sieht) macht fuer mich keinen Sinn.
Weiter ist es wert sich zu ueberlegen, ob es ueberhaupt etwas bringt, wenn ein fremder Experte in ein Land wie Madagaskar kommt und die Probleme loesen will. Der "Chef de Projet" vom WWF Andapa hat dazu eine dezidierte Meinung: "Ihr (Vazahas) seid gut um Leute anzulocken, doch unsere Probleme muessen wir untereinander loesen." Mir hat es wahnsinnig Eindruck gemacht, wie die lokale WWF-Crew arbeitet und die Probleme anpackt, und hoechstwahrscheinlich wissen sie viel besser wie man die Leute hier "packen" muss, um etwas zu bewirken. Wo ich Bedarf an qualifizierten Auslaendern sehe, ist in der Implementierung von technischen Anlagen, wo schlicht das Knowhow im Land fehlt, oder in der Ausbildung von lokalen Agenten was methodische Ansaetze betrifft. In letzterem saehe ich mich durchaus.

Denkst Du, dass Dein Auslandeinsatz Dich veraendert hat? Begruende.
Im Moment fuehle ich mich stark und gluecklich. Ich bin zufrieden, mit dem was ich erreichen konnte und noch viel mehr, mit dem was ich gelernt habe – wenn nicht fuer die Schule so doch fuers Leben. Nicht zuletzt hat ein halbjaehriger Sommer wahrscheinlich einen sehr positiven Einfluss aufs GemuetJ
Inwiefern mich mein Auslandaufenthalt dauerhaft veraendert hat ist noch schwierig abzuschaetzen. Nachdem ich jetzt seitenweise Feedbackformulare fuer den WWF gewaelzt habe, ist mir aber klar geworden, was ich auf persoenlicher Ebene gelernt habe:
Giving people the benefit of the doubt – im Zweifel fuer den Angeklagten! Waehrend meiner Zeit hier hat es unzaehlige, kleine Kommunikationsprobleme und Missverstaendnisse mit Leuten gegeben. Sie alle galt es mit Geduld zu ueberwinden. Man kann solchen Problemen auf zwei Arten begegnen: Entweder man nimmt immer das Schlimmste an, der andere ist ein Idiot und wie kann er so was sagen/tun! Oder man nimmt an, dass man es sehr wahrscheinlich falsch verstanden hat und dass es eine ganz logische Erklaerung (innerhalb von einem anderen kulturellen Kontext) fuer eine Aussage/Tat gibt, die man einfach noch nicht verstanden hat. Wenn man den Problemen so begegnet kann man weiter nachforschen, ohne schon voellig aus dem Haeuschen zu sein und meist klaert sich das Problem von selbst. Zwei aus meiner Gruppe haben mich noch bestaerkt in diesem Ansatz, und zwar in dem sie fast kaputtgingen wegen all den kleinen Kommuikationsbarrieren. Dies zu sehen hat mir gezeigt, dass eine riesige Portion Optimismus und eine unzerstoerbare positive Einstellung ueberlebensnotwendig sind, wenn man in der IZA arbeiten moechte.
Weiter habe ich viele neue Ideen aber auch offene Fragen, die ich von meinem Aufenthalt in Madagaskar mitbringe. Vorallem integrierte Entwicklungs-und Naturschutzfragen intressieren mich sehr (der WWF konzentriert sich da sehr auf die Naturseite), und moechte ich mich gerne weiter damit beschaeftigen.
Auch habe ich versucht, moeglichst viel ueber ein Mikrokreditunternehmen hier herauszufinden. Statt dass die Bauern eventuelle kleine Gewinne gleich wieder ins Roden von noch mehr Land investieren soll langsam eine Sparmentalitaet Einzug halten, die den Leuten andere Perspektiven eroeffnet. Sehr spannend!

Mittwoch, 28. November 2007

Entwicklung in der Region und WWF-Projekt

1. Leben im Ausland:
a. ) Waehle eine Person in Deiner naeheren Umgebung: Wie hat sich deren Leben in den letzten 10 Jahren veraendert, was wurde einfacher, was wurde schweiriger? Inwiefern hat die Entwicklung der Region Einfluss auf das Leben dieser Person genommen?


Mein Gastvater in Ambodihasina heisst M. Rabearison Devoir und ist ca. 45 Jahre alt. Er ist ein Vanille- und Reisbauer und besitzt ein Obstgaertchen fuer den privaten Gebrauch. Da Vanille das Hauptexportprodukt von Madagaskar darstellt und M. Devoir in einer dafuer guenstigen Region ansaessig ist, ist er in den letzten Jahren zu bescheidenem Mittelstand gelangt. Konkret heisst das, dass er ein Radio und ein Velo besitzt und seine zweitaelteste Tochter Soafara Binevenue Berthaline (die erste ist mit 16 schwanger geworden und hat die Schule abgebrochen) eine etwas bessere Schule besuchen kann. Doch das Glueck ist nicht von langer Dauer. Ein EU-subventioniertes Projekt hat die Einfuehrung einer sonnentoleranten Vanillesorte vorangetrieben, die der Vanilleindustrie als ganzes wohl hilft, dem Kleinbauern allerdings gar nicht. Die Preise sind in den letzten Jahren gepurzelt, M. Devoir erhaelt noch einen Viertel des urspruenglichen Geldes pro Kilo.
Abgesehen von Entwicklungen im Vanillemarkt, die einen direkten Einfluss auf das Leben der Bauern in dieser Region haben, tickt die Uhr hier langsam, bzw. noch gar nicht. Das Strassennetz in ganz Madagaskar ist noch immer desolat bis nichtexistent, Ambodihasina ist nur in der Trockenzeit mit einem 4x4 erreichbar. Handyempfang gibt es nur bei einem Busch ein Strichlein, das naechste Spital ist ein Tagesmarsch entfernt.
Obwohl der Tourismus langsam aber sicher Einzug haelt in Madagaskar, wird ein Dorf wie Ambodihasina trotz seiner Naehe zu 2 Nationalparks (Marojejy und Anjanananribe-Sud) warscheinlich nie davon profitieren koennen. Zu weit ist die Grenze des Regenwaldes schon vom Dorf weggerueckt. Die meisten Touristen zielen dann auch gerade in einen der Parks, wo die Lemurendichte noch so hoch ist, dass man hoechstwahrscheinlich einen sieht. Fuer Alternativtouristen mit genuegend Zeit und Muse, sowie der Bereitschaft unter einfachsten Verhaeltnissen ein bisschen"la vie malgache" zu erleben mag Ambodihasina etwas bieten, doch das grosse Geld wird es mit Touristen nie verdienen koennen.


b. ) Wie siehst Du Dein Gastland in 10 Jahren? Du kannst diese Frage auch fuer den Ort beantworten an dem Du gerade bist.


Fuer Madagaskar existiert seit 2005 ein vom derzeitigen Praesidenten entworfener Madagascar Action Plan (MAP), der seine Schwerpunkte auf Entwicklung und Umwelt gelegt hat. In vielen Doerfern, die ich besucht habe, ist dieses modern aufgemachte Heftchen auf der Kommode des Buergermeisters der einzige Beweis dafuer, dass das neue Millenium angebrochen ist. Grosse Bedeutung wird laut MAP dem Ausbau und der Ausdehnung des Strassennetzes beigemessen. Und hier muss man sich den auch gleich die immmerwaehrende Frage stellen, ob Entwicklung und Naturschutz im gleichen gehen koennen. Wie soll es gehen, einen wichtigen Wildtierkorridor zu erhalten, wenn genau durch dieses Gebiet in Zukunft berechtigterweise eine Strasse fuehren soll? MAP sagt nichts ueber die Details dieser Projekte aus, doch es bleibt nur zu hoffen, dass behutsam vorgegangen wird.

Generell bin ich immer wieder erschrocken ueber den Zustand des Waldes, oder besser, was davon uebrigbleibt. Oft ist nur noch ein kleines Restchen Primaerwald zwischen zwei Huegeln uebrig, waehrend die Haenge kahl sind. Einzelne Baeume stehen wie Mahnmale auf den Bergspitzen und Huegelkuppen und erinnern daran, dass hier mal dichter Dschungel war. Hier in Madagaskar sagt man, "C'etait l'île verte, maintenant c'est l'île rouge" und das stimmt. Das Land ist von roten Erosionskratern vernarbt und die Fluesse tragen bei jedem heftigen Regenfall tonnenweise roten Schlamm Richtung Meer.

Ich weiss, dass mein Bild unvollstaendig ist - ich hab nur einzelne Teile gesehen. Und doch sehe ich fuer den Marojejy - Anjananaribe-Sud - Korridor echt schwarz. Um den bestehenden Wald und damit viele Lemuren ausserhalb der Parks retten zu koennen, muesste das Verhalten und die Waldnutzung der Anrainer massiv geaendert werden und zwar per sofort. Der WWF Andapa geht dabei meiner Meinung nach in die richtige Richtung, doch ich bezweifle, dass genug Zeit bleibt.


2. Projektablauf:

a.) Wie laeufts bei Deinem Projekt? Erzaehle ein bisschen!

Ich bin innerhalb des WWF Andapa (Nordmadagaskar) im "Projet Simpona" involviert. Dieses befasst sich vorderhand mit dem Schutz des Silky Sifakas, des propithecus diademus candidus. Da dieser nur noch in zwei nebeneinanderliegenden Nationalparks vorkommt und erst noch nur noch ca 1000 Individuen betraegt, ist es von grosser Wichtigkeit, den Korridor zwischen den zwei Parks zu erhalten, um den Genaustausch weiterhin zu ermoeglichen. WWF Andapa konzetriert sich deshalb auf die Sensibilisierung in den Anrainergemeinden, wo verschiedene Aktivitaeten durchgefuehrt werden.

Meine erste Aufgabe bestand darin, in einer Gemeinde einen Aktionsplan einer sogenannten "Association Amis des Lémuriens" zu ueberpruefen. Da sich herausgestellt hat, dass kein einziger der geplanten Punkte zum Schutz der Lemuren erreicht worden ist, konnten ich und meine zwei Teamkollegen von Null beginnen. Wir haben uns auf die Erstellung von Datenblaettern zur Erfassung der verschiedenen Aktivitateten konzentriert und Vorlagen zum Thema Wiederaufforstung, Fischzucht, Transektbegehungen und Sitzungsprotokolle erstellt und die Mitglieder der Association in der Handhabung dieser Vorlagen geschult.
Ausserdem haben wir in 4 Schulen "Leçons environmentales" durchgefuehrt und ein einfaches Lemuren-Lied erfunden, was ein grosser Erfolg war.

Die zweite Aufgabe bestand darin, bei der Durchfuehrung und Organisation eines 5taegigen Lemurenfestes "Journées des Lémuriens" mitzuhelfen. Hier war das meiste schon organisiert und wir 6 "vazahas" wurden vorallem benutzt, um moeglichst viele Leute anzulocken. Wir haben demnach Reden gehalten und verschiedene hochrangige Persoenlichkeiten interviewt, bei den diversen Anlaessen mitgeholfen und Preise verliehen. Etwas frustrierend war, dass fuer unser Kindertheater, welches wir uns ausgedacht hatten, schlussendlich keine Zeit mehr blieb.

Die letzte Aufgabe fand in zwei kleinen Gemeinden statt und hat sich um den sogenannten "Transfère de la gestion de la forêt" gedreht. Als erstes haben wir zusammen mit 2 WWFlern in jeder Gemeinde eine Association gegruendet, die in Zukunft befaehigt sein wuerde, den Wald selber zu verwalten. D.h.konkret, dass Leute, die einen Baum faellen moechten die entsprechende Lizenz nicht wie bisher beim einzigen Waldofficier des Districts beantragen müssen (was soviel heisst wie - den Baum illegal zu faellen, weil es viel zu aufwaendig waere, eine Lizenz zu beantragen) sondern in Zukunft direkt mit dem Präsident dieses Vereins die Konditionen ausdealen koennen. Der WWF schult den Verein in Waldmanagement und nachhaltiger Waldnutzung, und erhofft sich so, den Korrridor zwischen den beiden Nationalparks erhalten zu können.
Anschliessend haben wir Waldinventar in den Waeldern dieser 2 Gemeinden gemacht und nach einer bestimmten Methode den Bestand erfasst. Das war harte Arbeit, der Dschungel ist dicht und das Terrain steil! Auch hat es mich etwas beelendet zu sehen, wie wenig Wald ueberhaupt noch uebrigbleibt. Im Moment ist es fuer den Silky Sifaka bestimmt nicht moeglich, die weiten brandgerodeten Flaechen zwischen den Waeldern zu ueberwinden. Ob der WWF-Plan, die Abholzung zu stoppen und die Zwischenflaechen wiederaufzuforsten, funktioniert, bevor es zu spät ist, wird sich zeigen...

Generell habe ich erwartet, etwas mehr selber tun zu koennen, was mich ab und zu frustriert hat. Abgesehen davon habe ich einen sehr tiefen Einblick in die Naturschutz-Realitaet in einem Entwicklungsland genossen, was fuer meine Zukunft wegweisend sein koennte.

b.) Was sind die naechsten Schritte?

Die wichtigste Aufgabe, die uns der WWF International gestellt hat besteht in der Erstellung eines Films und diverser Texte. Jeder Praktikant erhaelt eine Seite auf der Website www.panda.org/explore, wo Film und Texte zu sehen sein werden. Da wir jetzt wieder in einer Stadt mit Elektrizitaet (wenigstens ab und zu...) sind, koennen wir nun damit beginnen. Ich habe 6.5 Stunden Rohmaterial....na frohes Schneiden :-)
Mein Film wird ein Dokumentarfilm ueber den WWF Andapa werden und ich habe dazu einige Angestellte, sowie sonstige Madagassen(heute zum beispiel den Secretaire Général der ganzen Region) interviewt. Ich bin sicher, was halbwegs Spannendes hinzubekommen. In diesem Praktikum habe ich an dieser Kombination mit meinem frueheren Beruf Multimediaproduzentin besonderns Freude!

c.) Haettest Du noch ein Jahr Zeit, was wuerdest du noch alles tun?


Ich wuerde noch mehr "Leçons environmentales" halten, da hier eine Vazaha besonders nuetzlich ist (erhoehte Aufmerksamkeit der Kinder). Ausserdem habe ich in Ambodihasina viele Fischteiche in ziemlich desolatem Zustand gesehen - da haette selbst ich als Non-Aquaponic-spezialistin einiges zum Besseren veraendern koennen. Eher ein Traum ist es natuerlich, etwas in der Erforschung der Lemuren tun zu koennen. Gerade von diesem extrem bedrohten Silky Sifaka ist wenig bekannt. Es ist mir zum Beipiel noch nicht gelungen, herauszufinden, ob man ueberhaupt etwas weiss ueber seine Faehigkeit, abgeholzte Flaechen zu ueberwinden. Ich kanns kaum erwarten, wieder mal an eine vernuenftige Internetverbindung zu gelangen und tuechtig nachzuforschen, was man ueberhaupt weiss.

Leben in Madagaskar

A Beschreibe kurz deinen neuen Wohnort und Arbeitsort. Wie fuehlst Du Dich in dieser neuen Umgebung? Entspricht sie deinen Vorstellungen vor der Abreise?

Da ich in verscheidenen magadassischen Staedten und Doerfern unterwegs bin, ist es schiwerig, einen Ort auszuwaehlen. Eine detailierte Beschreibung dieser Plaetze ist in meinem Privatblog martinalippuner.blogspot.com zu finden. Fuer hier Waehle ich Analila, ein kleines Dorf, wo ich zuletzt gearbeitet habe.

Analila ist ein kleines Dorf mit einer Haupt"strasse" auf der 2 imposante Baeume trohnen. Wir sechs WWF-Praktikannten haben einen Raum in einem Wohnhaus gemietet. Er ist etwa 8x4 Meter gross und vollgestopft mit unseren Habseligkeiten. Auf der blossen Erde haben wir leere Reissaecke ausgebreitet und Schaumstoffmatten ausgerollt. In 2 grossen Moskitonetzen schlafen wir in 3er Gruppen zusammengequetscht doch sicher vor "moko sy bibikely" (Mücken und Krabbelviechern). Die Hausherrin kocht uns taeglich 3 mal Reis, als Beilage entweder getrocknete Fischchensuppe oder Bohnen. Nachdem der Reis gekocht wurde, wird im selben Topf Wasser mit dem angebrannten Reis erhitzt, und das Gebraeu dann getrunken. SChmeckt aeusserst lecker, auch wenns nicht so toent!
Vom Moment wo die Sonne scheint, hangen Kinder im Tuerrahmen und beobachten jede unserer Bewegungen. Auch fuer die Erwachsenen sind wir die Sensation des Tages und jeder unserer Schritte Gesprächsthema.

Mir gefaellt es hervorragend in Madagaskar, und ich geniesse die einmalige Chance, die ich hier geboten bekomme. Wir sind fast ausnahmslos in sehr untouristischen Gebieten unterwegs, die nicht umbedingt zu den schoensten gehoeren, dafuer durch ihre Abgescheidenheit sehr spannend sind. Langsam laeuft es auch ziemlich gut mit meinen holprigen Malagasykenntnissen - hier ist es absolut unerlaesslich etwas Malagasy zu sprechen, da man sich mit Franzoesisch nicht mehr durchschlagen kann.
Vieles ist anders als ich es mir vorgestellt habe, vorallem die ununterbrochene Aufmerksamkeit ist gewoehnungsbeduerftig. Auch habe ich mir von den anderen Praktikannten etwas mehr erhofft. Da WWF International als Resultat dieses Praktikums einen Film von jedem von uns erhalten moechte, wurden die Praktikannten nach verschiedenen Kriterien ausgewaehlt. Neben mir ist nur eine weitere Biologin im Team, eine Historikerin und sonst eine Fotografin, eine Filmstudentin und eine Industrialdesignerin. Das ist zwar spannend, aber ich profitiere fachlich nur von der Biologin und von der WWF-Crew.


B Beschreibe 2 Kulturunterschiede, von denen du denkst, dass du als Schweizerin profitieren kannst. Willst Du sie umsetzen, wenn Du in der Schweiz zurueck bist?

Das Motto Madagaskars ist "mora mora", was soviel wie ganz, ganz langsam bedeutet. Zwar schaetze ich die schweizerische Effizienz und erledige Dinge gerne gleich und mit vernuenftigem Zeitaufwand. Doch ab und zu koennte ein bisschen Gelassenheit à la Malgâche nicht schaden. Ich bin schon oft in Afrika unterwegs gewesen und immer habe ich mir vorgenommen, etwas davon in die Schweiz mitzunehmen. Doch das ist einfacher gesagt als getan. Ich finde es jeweils erschreckend, wie schnell man wieder zurueck in der Hektik ist.

Es gibt ein madagassisches Prinzip, das "fihavanana" genannt wird. Es besagt, dass alles geteilt wird, was ein Mitglied der Gemeinde besitzt. Man sieht Fihavanana in kleinen Dingen: Gibt man einem kleinen Kind ein Stueck Brot, so teilt es das Stueck in viele kleine Stueckchen und teilt es mit all seinen Gespanen und Geschwister. Bei unsererer Ankunft in Tana wurde Fihavanana viel Wichtigkeit beigemessen: Les Jeunes, il faut partager, partager, partager -toujours! hat uns unsere Betreuerin in Tana eingebleut. Ein schoener Gedanke, finde ich - wie sehr er mein Leben beeinflussen wird, kann ich noch nicht abschaetzen.

C Beschreiben sie 2 Kulturunterschiede die dir fremd sind oder schockierend. Wie gehst du damit um?

Am gewoehnungsbeduerftigsten ist wohl die fehlende Privatsphaere hier. Das zieht sich durch den ganzen Tag: Am morgen kleben Kinder am Fenster, und beobachten mich, auf der Strasse zeigen Frauen mit dem Finger auf uns und lachen sich tot, Maenner starren sehr unverfroren und die Kinder sind entweder sehr fasziniert und moechten an uns hochklettern oder sie schreien aus lauter Horror Zeter und Mordio. Es hat mir sehr geholfen, mich in diese Leute hineinzuversetzen. Warscheinlich ist es fuer viele so abgefahren, einen weissen Menschen zu sehen, wie fuer uns einen Marsmenschen - und wuerden wir da nicht auch starren? Manchmal hilft Ignorieren - Wenn man nichts dergleichen tut, verlieren manche das Interesse - hilft nicht immer;-)
Auch habe ich mir ein "Pictureface" zugelegt: Ein freundliches Laecheln und mit den Gedanken ganz woanders - So sind alle zufrieden!
Es gab aber auch eine Situation wo es mir zuviel wurde: An einer Exxhumationsparty, wo die Gebeine der Ahnen aus der Erde gehoben werden und in frische Tuecher gewickelt werden um dann in 2taegigen Festivitaeten wieder vergraben zu werden, war das ganze Dorf auf den Beinen. Es wurde getanzt, gelacht und der billige Zuckerrohrschnaps floss in Stroemen. Irgendwann schien die ganze Gemeinde auf mich einzuschreien und Ich wurde fast erdrueckt - da half nur noch ab durch die Mitte und rein ins einsame Bettchen und tief durchatmen!


D Hast Du Dein Verhalten anpassen muessen? Wenn ja, was ist anders? Und wenn nein, warum?

Prinzipiell fuehle ich mich sehr wohl und habe nicht das Gefuehl, mich verstellen zu muessen. Doch natuerlich gebe ich mir groesste Muehe mich anzupassen. Ich zwinge mich zu einem Laecheln, auch wenn mir Reis und Blaetter langsam aber sicher zum Hals heraushaengen. Ich bleibe respektvoll, auch wenn mich jemand in schnellstem Malagasy zutextet, obwohl ich ihn 3mal gebeten habe, langsam zu sprechen. Ich versuche, moeglichst bescheiden zu leben, obwohl es manchmal schwierig scheint, nicht von vorneherein als "die reiche vazaha" abgestempelt zu werden. Der Spagat, einerseits moeglichst gegen dieses Image anzukaempfen und andrerseits mit einer teuren Kamera Bilder auf dem Markt zu schiessen, scheint manchmal unmoeglich.

Donnerstag, 13. September 2007

Viel Glück in Madagaskar

Liebe Martina,
bin dabei und freu mich auf deine madagaskar-post.

herzliche grüsse
stefan forster

Dienstag, 4. September 2007

Gugus

hello world!