Mittwoch, 28. November 2007

Leben in Madagaskar

A Beschreibe kurz deinen neuen Wohnort und Arbeitsort. Wie fuehlst Du Dich in dieser neuen Umgebung? Entspricht sie deinen Vorstellungen vor der Abreise?

Da ich in verscheidenen magadassischen Staedten und Doerfern unterwegs bin, ist es schiwerig, einen Ort auszuwaehlen. Eine detailierte Beschreibung dieser Plaetze ist in meinem Privatblog martinalippuner.blogspot.com zu finden. Fuer hier Waehle ich Analila, ein kleines Dorf, wo ich zuletzt gearbeitet habe.

Analila ist ein kleines Dorf mit einer Haupt"strasse" auf der 2 imposante Baeume trohnen. Wir sechs WWF-Praktikannten haben einen Raum in einem Wohnhaus gemietet. Er ist etwa 8x4 Meter gross und vollgestopft mit unseren Habseligkeiten. Auf der blossen Erde haben wir leere Reissaecke ausgebreitet und Schaumstoffmatten ausgerollt. In 2 grossen Moskitonetzen schlafen wir in 3er Gruppen zusammengequetscht doch sicher vor "moko sy bibikely" (Mücken und Krabbelviechern). Die Hausherrin kocht uns taeglich 3 mal Reis, als Beilage entweder getrocknete Fischchensuppe oder Bohnen. Nachdem der Reis gekocht wurde, wird im selben Topf Wasser mit dem angebrannten Reis erhitzt, und das Gebraeu dann getrunken. SChmeckt aeusserst lecker, auch wenns nicht so toent!
Vom Moment wo die Sonne scheint, hangen Kinder im Tuerrahmen und beobachten jede unserer Bewegungen. Auch fuer die Erwachsenen sind wir die Sensation des Tages und jeder unserer Schritte Gesprächsthema.

Mir gefaellt es hervorragend in Madagaskar, und ich geniesse die einmalige Chance, die ich hier geboten bekomme. Wir sind fast ausnahmslos in sehr untouristischen Gebieten unterwegs, die nicht umbedingt zu den schoensten gehoeren, dafuer durch ihre Abgescheidenheit sehr spannend sind. Langsam laeuft es auch ziemlich gut mit meinen holprigen Malagasykenntnissen - hier ist es absolut unerlaesslich etwas Malagasy zu sprechen, da man sich mit Franzoesisch nicht mehr durchschlagen kann.
Vieles ist anders als ich es mir vorgestellt habe, vorallem die ununterbrochene Aufmerksamkeit ist gewoehnungsbeduerftig. Auch habe ich mir von den anderen Praktikannten etwas mehr erhofft. Da WWF International als Resultat dieses Praktikums einen Film von jedem von uns erhalten moechte, wurden die Praktikannten nach verschiedenen Kriterien ausgewaehlt. Neben mir ist nur eine weitere Biologin im Team, eine Historikerin und sonst eine Fotografin, eine Filmstudentin und eine Industrialdesignerin. Das ist zwar spannend, aber ich profitiere fachlich nur von der Biologin und von der WWF-Crew.


B Beschreibe 2 Kulturunterschiede, von denen du denkst, dass du als Schweizerin profitieren kannst. Willst Du sie umsetzen, wenn Du in der Schweiz zurueck bist?

Das Motto Madagaskars ist "mora mora", was soviel wie ganz, ganz langsam bedeutet. Zwar schaetze ich die schweizerische Effizienz und erledige Dinge gerne gleich und mit vernuenftigem Zeitaufwand. Doch ab und zu koennte ein bisschen Gelassenheit à la Malgâche nicht schaden. Ich bin schon oft in Afrika unterwegs gewesen und immer habe ich mir vorgenommen, etwas davon in die Schweiz mitzunehmen. Doch das ist einfacher gesagt als getan. Ich finde es jeweils erschreckend, wie schnell man wieder zurueck in der Hektik ist.

Es gibt ein madagassisches Prinzip, das "fihavanana" genannt wird. Es besagt, dass alles geteilt wird, was ein Mitglied der Gemeinde besitzt. Man sieht Fihavanana in kleinen Dingen: Gibt man einem kleinen Kind ein Stueck Brot, so teilt es das Stueck in viele kleine Stueckchen und teilt es mit all seinen Gespanen und Geschwister. Bei unsererer Ankunft in Tana wurde Fihavanana viel Wichtigkeit beigemessen: Les Jeunes, il faut partager, partager, partager -toujours! hat uns unsere Betreuerin in Tana eingebleut. Ein schoener Gedanke, finde ich - wie sehr er mein Leben beeinflussen wird, kann ich noch nicht abschaetzen.

C Beschreiben sie 2 Kulturunterschiede die dir fremd sind oder schockierend. Wie gehst du damit um?

Am gewoehnungsbeduerftigsten ist wohl die fehlende Privatsphaere hier. Das zieht sich durch den ganzen Tag: Am morgen kleben Kinder am Fenster, und beobachten mich, auf der Strasse zeigen Frauen mit dem Finger auf uns und lachen sich tot, Maenner starren sehr unverfroren und die Kinder sind entweder sehr fasziniert und moechten an uns hochklettern oder sie schreien aus lauter Horror Zeter und Mordio. Es hat mir sehr geholfen, mich in diese Leute hineinzuversetzen. Warscheinlich ist es fuer viele so abgefahren, einen weissen Menschen zu sehen, wie fuer uns einen Marsmenschen - und wuerden wir da nicht auch starren? Manchmal hilft Ignorieren - Wenn man nichts dergleichen tut, verlieren manche das Interesse - hilft nicht immer;-)
Auch habe ich mir ein "Pictureface" zugelegt: Ein freundliches Laecheln und mit den Gedanken ganz woanders - So sind alle zufrieden!
Es gab aber auch eine Situation wo es mir zuviel wurde: An einer Exxhumationsparty, wo die Gebeine der Ahnen aus der Erde gehoben werden und in frische Tuecher gewickelt werden um dann in 2taegigen Festivitaeten wieder vergraben zu werden, war das ganze Dorf auf den Beinen. Es wurde getanzt, gelacht und der billige Zuckerrohrschnaps floss in Stroemen. Irgendwann schien die ganze Gemeinde auf mich einzuschreien und Ich wurde fast erdrueckt - da half nur noch ab durch die Mitte und rein ins einsame Bettchen und tief durchatmen!


D Hast Du Dein Verhalten anpassen muessen? Wenn ja, was ist anders? Und wenn nein, warum?

Prinzipiell fuehle ich mich sehr wohl und habe nicht das Gefuehl, mich verstellen zu muessen. Doch natuerlich gebe ich mir groesste Muehe mich anzupassen. Ich zwinge mich zu einem Laecheln, auch wenn mir Reis und Blaetter langsam aber sicher zum Hals heraushaengen. Ich bleibe respektvoll, auch wenn mich jemand in schnellstem Malagasy zutextet, obwohl ich ihn 3mal gebeten habe, langsam zu sprechen. Ich versuche, moeglichst bescheiden zu leben, obwohl es manchmal schwierig scheint, nicht von vorneherein als "die reiche vazaha" abgestempelt zu werden. Der Spagat, einerseits moeglichst gegen dieses Image anzukaempfen und andrerseits mit einer teuren Kamera Bilder auf dem Markt zu schiessen, scheint manchmal unmoeglich.

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