Sonntag, 9. März 2008

Kommunikation in der IZA

a) Wie ist es Dir gelungen, mit den Landsleuten in Kontakt zu treten?

Ziemlich am Anfang meines Praktikum stand ein 3 tägiger Sprachkurs auf dem Programm. Ein Madagassischlehrer des örtlichen Gymnasiums hat mir und meinen 5 Mitpraktikantinnen die Tücken dieser für uns sehr fremden Sprache brilliant erklärt und wir haben schnell gemerkt, dass “Gasy”, abgesehen von den vorerst unverständlichen Wörtern, eine ziemlich einfach Sprache ist. Es gibt weder Singular noch Plural, keine Deklination oder Konjugation und die drei Zeitformen unterscheiden sich in nur einem Buchstaben. Ich war von Anfang an sehr motiviert, diese Sprache zu lernen und nach diesem Einführungskurs war es mir auch klar, dass es möglich ist, in 3 Monaten echt weit zu kommen.
Was wir damals noch nicht verstande haben war, wie aufgeschmissen man ohne Madagassischkenntnisse in den kleinen Dörfern war, wo wir gearbeitet haben. Französisch wurde hier kaum gesprochen und so war ich um jede Stunde froh, die ich ins Wörtchenbüffeln investiert habe.
Gleich nach dem Sprachkurs habe ich 3 Wochen bei einer Gastfamilie gewohnt. Da meine Sprachkenntnisse zu diesem Zeitpunkt noch mehr als dürftig waren, habe ich oft andere Mittel der Kommunikation wählen müssen. Mit der kleinsten Gastschwester Soaclanie Enida habe ich oft Gummitwist gespielt und ihr ohne Worte die Schweizerversion davon gezeigt. Mit der ältesten Gastschwester Razafindrasoma Constancine habe ich oft wortlos über ihr Baby kommuniziert. Indem wir beide mit ihm gespielt haben, gelang es mir, Zeit mit ihr zu verbringen, ohne dass dauernd geredet werden musste. Mit meinen Gasteltern habe ich oftmals meinen Französisch-Malagasy-Dixionär hervorgekramt, obwohl ich mit dem Umweg übers Französisch manchmal wohl nicht ganz das richtige Wort gefunden habe…


b) Was hat, neben der Sprache, den Austausch mit den Landsleuten behindert?

Bei vielen Madegassen, mit denen ich gearbeitet habe oder die ich sonst getroffe habe, war es klar, dass ich aus einem 1.Welt-Land komme und deshalb unmöglich wie sie leben kann. Für sie hatte ich unvorstellbar viel Geld und natürlich kann ich auch verstehen, dass sie mir nicht glaubten, dass das so nicht wirklich stimmt. Schliesslich hat schon meine Kamera mehr gekostet, als ein Kleinbauer je besitzen wird. Es hat mich viel Energie gekostet, wenigstens meine WWF-Kollegen davon zu überzeugen, dass ich nicht mehr brauchte als sie. Anfangs wollten sie mich nämlich immer ins beste Restaurant der Stadt bringen, während sie selber in eine günstigere Spelunke gingen. Auch haben sie oft speziell für mich Salat bestellt, während sie sich mit Reis und einer dünnen Sauce begnügten. Wir haben viele Diskussionen geführt und ich habe bis zum Schluss nicht ganz verstanden, wieso es so unmöglich sein sollte, dass ich in Madagaskar leben wollte wie sie.
Mit der Zeit hatte ich das Gefühl, dass diese komischen Barrieren abgebaut waren, doch auch dann musste ich mir noch anhören, dass ich nicht leben könne wie sie, als ich nämlich krank wurde. Wie wenn das einem waschechten Madagassen nie passiert ☺

c) Was hat ihn gefördert?

Meine Offenheit hat mich in Madagaskar sicher am weitesten gebracht. Ich fand jeden Tag in diesem Land wahnsinnig spannend und wurde nicht müde, mit den Leuten zu sprechen und mehr über ihr Leben in Erfahrung zu bringen.
Auch die Aufgabe, die der WWF International uns Praktikanten gestellt hatte, hat dabei geholfen. Mit einer Videokamera ausgerüstet, wurden wir dazu aufgefordert, einen Film zu drehen. Mit dieser Motivation war es auch einfacher, immer wieder rauszugehen und mit Leuten zu sprechen, die vielleicht etwas zum Film beitragen könnten.
Die Ergebnisse der “Storytelling”-Aufgabe sind übrigens auf http://panda.org/how_you_can_help/volunteer/volunteer/volunteer_stories/madagascar/martina_lippuner/index.cfm zu finden und werden im Forumsvortrag vom 8.Mai präsentiert.


2. a) Inwiefern spielen Deiner Meinung nach kulturelle Unterschiede bei der Kommunikation eine Rolle?

Da das Leben auf dem Land in Madagaskar wohl nicht unterschiedlicher von meinem eigenen hier in Zürich sein könnte, wäre ein tiefes Verständnis beider Kulturen für eine reibungslose Komunikation nötig gewesen. Natürlich ist es eine Illusion, dies in 3 Monaten erreichen zu wollen, auch wenn man es tagtäglich versuchen muss. Auch kommunizieren die Madagassen viel weniger direkt als wir. Wie oft habe ich es erlebt, dass eine Frage viel zu direkt rüberkam und mein Gegenüber verlegen zur Seite blickte und nicht recht wusste, was er darauf antworten sollte! Auch die Fadys, das madagassische Konzept von Tabus, sind allgegenwärtig und beeinflussen nebst dem täglichen Leben auch die Kommunikation. Fadys kann es auf Gemeinde-, aber auch Familien- und individueller Ebene geben. So kann es zum Beispiel in einem Dorf Fady sein, über den Wald zu sprechen! Oder es ist Fady, Fragen über ein Tier im Wald zu stellen. Auf all dies muss man sich in Madagaskar einstellen. Wir haben jeweils den Dorfältesten eines Dorfes gefragt, was die örtlichen Fadys sind. Auch unsere Gesellschaft kennt Tabus, aber in Madagaskar sind sie für uns so schwer nachzuvollziehen, dass man sie einfach fraglos akzeptieren muss. Eine andere Lösung gibt es nicht!

b) Hast Du ein eindrückliches Beispiel dazu?

Das Zeitverständnis ist in Madagaskar ein ganz und gar anderes und zwar auf der ganzen Ebene. Bis zum Schluss ist es mir passiert, dass ich eine Frage wie “A quelle heure…?” gestellt habe und jedes Mal bekam ich die Antwort “Tsisy montre” - es gibt keine Uhr. Darüber kann man noch lachen, sich selber an den Kopf fassen und sich vornehmen, das nächste Mal daran zu denken. Schwieriger wirds, wenn man abgemacht hat, morgen ins nächste Dorf zu fahren, nach dem Aufstehen alle Siebensachen packt, kurz nach Sonnenaufgang bereit steht und einem ein “Agent de terrain” von WWF wie selbstverständlich mitteilt, dass man heute doch noch nicht gehen könne. Als er dann auch keine Begründung nachliefert sondern etwas wie “das ist jetzt halt so” brummelt, so fällt es schon schwerer, die Contenance zu behalten.


3. a) Kannst Du aus dem Erlebten einige Erkenntnisse und Regeln ableiten, welche generell für eine gelungene Kommunikation zwischen Menschen unterschiedlicher Kulturen gelten könnten?

Da man in einer fremden Kultur die andere Partei nie ganz und gar verstehen kann, muss umso mehr an der eigenen Einstellung und Motivation gefeilt werden. Meine Erkenntnis aus meinem Madagaskaraufenthalt ist: Im Zweifel für den Angeklagten. Sie hat sich sehr bewährt. Wie oft schien mir eine Aussage unverständlich oder eine Handlung unangebracht! Mit diesen Unklarheiten umzugehen fiel mir sehr viel leichter, wenn ich jeweils annahm, dass mein Gegenüber seine Gründe hatte dies zu tun oder zu sagen, auch wenn sich mir die Gründe bis jetzt noch nicht erschlossen hatten. Oft hätte ich mich nach Aufbrausen gefühlt und war im Nachinein doppelt froh, cool reagiert und mir die Sache zweimal überlegt zu haben.
In meinem Praktikum war ich im Vergleich zu den Leuten, die ich getroffen habe, weitgereist. Deshalb war es für mich auch klar, mich mehr auf die Leute vor Ort einzustellen, als dass ich dasselbe von ihnen erwartete. Am besten fährt man wohl, wenn man nichts als logisch annimmt und mit allem rechnet. Nur dann ist man nie unnötig beleidigt und offen für die neue Lebensweise.
Auch sollte man in jedem fremden Land zuerst herausfinden, was für die Leute besonders wichtig ist. In Madagaskar war das der Respekt vor den Älteren. Ihn erbieten zu können erforderte einige Höflichkeitsfloskeln, die ich mir fast als erstes aneignete. Und da die Leute das von einer “Vazaha”, einer Fremden, offensichtlich nicht erwarteten, hatte ich bei vielen sofort einen Stein im Brett. Dies hat mir die Arbeit enorm erleichtert.

Donnerstag, 3. Januar 2008

Zukunft in der IZA?

mInwiefern entspricht Dein Einsatz dem, was Du erwartet hast?
Ich habe sehr genau gesehen, wie eine lokale Agentur einer grossen NGO wie dem WWF arbeitet und funktioniert. Ich habe eine neue Kultur kennen gelernt und Kenntnisse einer neuen Sprache erworben. Im direkten Austausch mit der lokalen Bevoelkerung habe ich ihre Probleme genau nachvollziehen und die Umsetzbarkeit der verschiedenen Loesungsansaetze beurteilen koennen. Dies alles habe ich gehofft und wurde in meinem Praktikum vollumfaenglich erfuellt.

Siehst Du Dich auch in Zukunft im Umfeld einer internationalen Zusammenarbeit?

Ich kann mir nach wie vor sehr gut vorstellen in der IZA zu arbeiten. Ein grosser Test fuer mich war herauszufinden, ob mich die Ineffizienz in einem Entwicklungsland zu sehr frustriert. Vielleicht sind 3 Monate zu kurz um das abschliessend beurteilen zu koennen, vielleicht ist das etwas was einem langsam zermuerbt. Ich finde aber, dass ich ziemlich gut damit habe umgehen koennen – eine Grundvorausssetzung, wenn man in der IZA taetig sein moechte – wie ich finde.
Ich habe den direkten Kontakt mit der lokalen Bevoelkerung extrem genossen, sei es mit den WWF-Agenten aber auch mit den Leuten in den kleinen Doerfern, in denen wir gearbeitet haben. Ich glaube nur wenn der gegenseitige Respekt da ist, kann etwas bewirkt werden.


Wo hast Du Zweifel? Wo musstest Du Deine anfaengliche Einstellung ueberdenken?
Man kann sich noch so viel Muehe geben sich zu integrieren, ein Stueck weit bleibt man immer Vazaha, fremd, anders, intressant aber nicht ganz zugehoerig. Auch wenn ein Madagasse alles mit einem teilt, man an jeder Feier eingeladen wird und herzlich in der Familie aufgenommen wird, so spricht er noch nach Wochen von der Vazaha – und nicht von Martina.
Ich glaube fest daran, dass kulturelle Barrieren ueberwunden oder zumindest minimiert werden koennen aber ich glaube auch, dass das sehr schwierig und energieraubend ist. Selbst mit den besten Absichten kann es manchmal unmoeglich scheinen und darum frustrieren. Und dann wir man zur verlorenen Seele im fremden Land, die sich verzweifelt andere Europaeer sucht um sich nicht ganz so verloren und alleine vorzukommen und darauf habe ich wenig Lust. Ein grosser Reiz an der IZA ist es ja genau, im Ausland zu leben, eine andere Kultur kennenzulernen und sich hier dann nur im Kreise von Expats zu bewegen (wie man das hier in Tana oft sieht) macht fuer mich keinen Sinn.
Weiter ist es wert sich zu ueberlegen, ob es ueberhaupt etwas bringt, wenn ein fremder Experte in ein Land wie Madagaskar kommt und die Probleme loesen will. Der "Chef de Projet" vom WWF Andapa hat dazu eine dezidierte Meinung: "Ihr (Vazahas) seid gut um Leute anzulocken, doch unsere Probleme muessen wir untereinander loesen." Mir hat es wahnsinnig Eindruck gemacht, wie die lokale WWF-Crew arbeitet und die Probleme anpackt, und hoechstwahrscheinlich wissen sie viel besser wie man die Leute hier "packen" muss, um etwas zu bewirken. Wo ich Bedarf an qualifizierten Auslaendern sehe, ist in der Implementierung von technischen Anlagen, wo schlicht das Knowhow im Land fehlt, oder in der Ausbildung von lokalen Agenten was methodische Ansaetze betrifft. In letzterem saehe ich mich durchaus.

Denkst Du, dass Dein Auslandeinsatz Dich veraendert hat? Begruende.
Im Moment fuehle ich mich stark und gluecklich. Ich bin zufrieden, mit dem was ich erreichen konnte und noch viel mehr, mit dem was ich gelernt habe – wenn nicht fuer die Schule so doch fuers Leben. Nicht zuletzt hat ein halbjaehriger Sommer wahrscheinlich einen sehr positiven Einfluss aufs GemuetJ
Inwiefern mich mein Auslandaufenthalt dauerhaft veraendert hat ist noch schwierig abzuschaetzen. Nachdem ich jetzt seitenweise Feedbackformulare fuer den WWF gewaelzt habe, ist mir aber klar geworden, was ich auf persoenlicher Ebene gelernt habe:
Giving people the benefit of the doubt – im Zweifel fuer den Angeklagten! Waehrend meiner Zeit hier hat es unzaehlige, kleine Kommunikationsprobleme und Missverstaendnisse mit Leuten gegeben. Sie alle galt es mit Geduld zu ueberwinden. Man kann solchen Problemen auf zwei Arten begegnen: Entweder man nimmt immer das Schlimmste an, der andere ist ein Idiot und wie kann er so was sagen/tun! Oder man nimmt an, dass man es sehr wahrscheinlich falsch verstanden hat und dass es eine ganz logische Erklaerung (innerhalb von einem anderen kulturellen Kontext) fuer eine Aussage/Tat gibt, die man einfach noch nicht verstanden hat. Wenn man den Problemen so begegnet kann man weiter nachforschen, ohne schon voellig aus dem Haeuschen zu sein und meist klaert sich das Problem von selbst. Zwei aus meiner Gruppe haben mich noch bestaerkt in diesem Ansatz, und zwar in dem sie fast kaputtgingen wegen all den kleinen Kommuikationsbarrieren. Dies zu sehen hat mir gezeigt, dass eine riesige Portion Optimismus und eine unzerstoerbare positive Einstellung ueberlebensnotwendig sind, wenn man in der IZA arbeiten moechte.
Weiter habe ich viele neue Ideen aber auch offene Fragen, die ich von meinem Aufenthalt in Madagaskar mitbringe. Vorallem integrierte Entwicklungs-und Naturschutzfragen intressieren mich sehr (der WWF konzentriert sich da sehr auf die Naturseite), und moechte ich mich gerne weiter damit beschaeftigen.
Auch habe ich versucht, moeglichst viel ueber ein Mikrokreditunternehmen hier herauszufinden. Statt dass die Bauern eventuelle kleine Gewinne gleich wieder ins Roden von noch mehr Land investieren soll langsam eine Sparmentalitaet Einzug halten, die den Leuten andere Perspektiven eroeffnet. Sehr spannend!