Donnerstag, 3. Januar 2008

Zukunft in der IZA?

mInwiefern entspricht Dein Einsatz dem, was Du erwartet hast?
Ich habe sehr genau gesehen, wie eine lokale Agentur einer grossen NGO wie dem WWF arbeitet und funktioniert. Ich habe eine neue Kultur kennen gelernt und Kenntnisse einer neuen Sprache erworben. Im direkten Austausch mit der lokalen Bevoelkerung habe ich ihre Probleme genau nachvollziehen und die Umsetzbarkeit der verschiedenen Loesungsansaetze beurteilen koennen. Dies alles habe ich gehofft und wurde in meinem Praktikum vollumfaenglich erfuellt.

Siehst Du Dich auch in Zukunft im Umfeld einer internationalen Zusammenarbeit?

Ich kann mir nach wie vor sehr gut vorstellen in der IZA zu arbeiten. Ein grosser Test fuer mich war herauszufinden, ob mich die Ineffizienz in einem Entwicklungsland zu sehr frustriert. Vielleicht sind 3 Monate zu kurz um das abschliessend beurteilen zu koennen, vielleicht ist das etwas was einem langsam zermuerbt. Ich finde aber, dass ich ziemlich gut damit habe umgehen koennen – eine Grundvorausssetzung, wenn man in der IZA taetig sein moechte – wie ich finde.
Ich habe den direkten Kontakt mit der lokalen Bevoelkerung extrem genossen, sei es mit den WWF-Agenten aber auch mit den Leuten in den kleinen Doerfern, in denen wir gearbeitet haben. Ich glaube nur wenn der gegenseitige Respekt da ist, kann etwas bewirkt werden.


Wo hast Du Zweifel? Wo musstest Du Deine anfaengliche Einstellung ueberdenken?
Man kann sich noch so viel Muehe geben sich zu integrieren, ein Stueck weit bleibt man immer Vazaha, fremd, anders, intressant aber nicht ganz zugehoerig. Auch wenn ein Madagasse alles mit einem teilt, man an jeder Feier eingeladen wird und herzlich in der Familie aufgenommen wird, so spricht er noch nach Wochen von der Vazaha – und nicht von Martina.
Ich glaube fest daran, dass kulturelle Barrieren ueberwunden oder zumindest minimiert werden koennen aber ich glaube auch, dass das sehr schwierig und energieraubend ist. Selbst mit den besten Absichten kann es manchmal unmoeglich scheinen und darum frustrieren. Und dann wir man zur verlorenen Seele im fremden Land, die sich verzweifelt andere Europaeer sucht um sich nicht ganz so verloren und alleine vorzukommen und darauf habe ich wenig Lust. Ein grosser Reiz an der IZA ist es ja genau, im Ausland zu leben, eine andere Kultur kennenzulernen und sich hier dann nur im Kreise von Expats zu bewegen (wie man das hier in Tana oft sieht) macht fuer mich keinen Sinn.
Weiter ist es wert sich zu ueberlegen, ob es ueberhaupt etwas bringt, wenn ein fremder Experte in ein Land wie Madagaskar kommt und die Probleme loesen will. Der "Chef de Projet" vom WWF Andapa hat dazu eine dezidierte Meinung: "Ihr (Vazahas) seid gut um Leute anzulocken, doch unsere Probleme muessen wir untereinander loesen." Mir hat es wahnsinnig Eindruck gemacht, wie die lokale WWF-Crew arbeitet und die Probleme anpackt, und hoechstwahrscheinlich wissen sie viel besser wie man die Leute hier "packen" muss, um etwas zu bewirken. Wo ich Bedarf an qualifizierten Auslaendern sehe, ist in der Implementierung von technischen Anlagen, wo schlicht das Knowhow im Land fehlt, oder in der Ausbildung von lokalen Agenten was methodische Ansaetze betrifft. In letzterem saehe ich mich durchaus.

Denkst Du, dass Dein Auslandeinsatz Dich veraendert hat? Begruende.
Im Moment fuehle ich mich stark und gluecklich. Ich bin zufrieden, mit dem was ich erreichen konnte und noch viel mehr, mit dem was ich gelernt habe – wenn nicht fuer die Schule so doch fuers Leben. Nicht zuletzt hat ein halbjaehriger Sommer wahrscheinlich einen sehr positiven Einfluss aufs GemuetJ
Inwiefern mich mein Auslandaufenthalt dauerhaft veraendert hat ist noch schwierig abzuschaetzen. Nachdem ich jetzt seitenweise Feedbackformulare fuer den WWF gewaelzt habe, ist mir aber klar geworden, was ich auf persoenlicher Ebene gelernt habe:
Giving people the benefit of the doubt – im Zweifel fuer den Angeklagten! Waehrend meiner Zeit hier hat es unzaehlige, kleine Kommunikationsprobleme und Missverstaendnisse mit Leuten gegeben. Sie alle galt es mit Geduld zu ueberwinden. Man kann solchen Problemen auf zwei Arten begegnen: Entweder man nimmt immer das Schlimmste an, der andere ist ein Idiot und wie kann er so was sagen/tun! Oder man nimmt an, dass man es sehr wahrscheinlich falsch verstanden hat und dass es eine ganz logische Erklaerung (innerhalb von einem anderen kulturellen Kontext) fuer eine Aussage/Tat gibt, die man einfach noch nicht verstanden hat. Wenn man den Problemen so begegnet kann man weiter nachforschen, ohne schon voellig aus dem Haeuschen zu sein und meist klaert sich das Problem von selbst. Zwei aus meiner Gruppe haben mich noch bestaerkt in diesem Ansatz, und zwar in dem sie fast kaputtgingen wegen all den kleinen Kommuikationsbarrieren. Dies zu sehen hat mir gezeigt, dass eine riesige Portion Optimismus und eine unzerstoerbare positive Einstellung ueberlebensnotwendig sind, wenn man in der IZA arbeiten moechte.
Weiter habe ich viele neue Ideen aber auch offene Fragen, die ich von meinem Aufenthalt in Madagaskar mitbringe. Vorallem integrierte Entwicklungs-und Naturschutzfragen intressieren mich sehr (der WWF konzentriert sich da sehr auf die Naturseite), und moechte ich mich gerne weiter damit beschaeftigen.
Auch habe ich versucht, moeglichst viel ueber ein Mikrokreditunternehmen hier herauszufinden. Statt dass die Bauern eventuelle kleine Gewinne gleich wieder ins Roden von noch mehr Land investieren soll langsam eine Sparmentalitaet Einzug halten, die den Leuten andere Perspektiven eroeffnet. Sehr spannend!

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Liebe Martina,

finde deine Einträge sehr spannend. Ich kann deine angedeuteten Zweifel sehr gut nachvollziehen. Mir ginge es wohl ähnlich. U.a. darum habe ich mich auch bewusst dafür entschieden nicht in fremden Ländern Entwicklungsarbeit zu leisten, sondern vor meiner Haustür, in meiner Kultur, in meinem Lebensumfeld, weil ich überzeugt davon bin, dass ich so auch aus idealisitischer Perspektive mehr bewirken kann, als am anderen Ende der Welt. Ganz unter dem Motto: Grabe, wo du stehst!
Aber natürlich bin ich auch hin und hergerissen und finde die IZA äusserst spannend und wichtig. Irgendwie paradox halt. Wichtig scheint mir die 'herrschaftsfreie Kommunikation' der beteiligten Akteure. Ein Begriff den Jürgen Habermas in der soziologischen Theorie des kommunikativen Handelns und in seinem immer noch sehr lesenswerten Buch 'Die Neue Unübersichtlichkeit' aus dem Jahre 1985 geprägt hat. Im Kern geht es eben um einen echten Austausch und um gegenseitiges Lernen. Gerade aus der IZA gibt es genügend negative Beispiele, wo sich der Westen vor allem Besserwisserisch und von oben herab aufspielt und sich die NGOs in den Entwicklungsländern auf den Füssen herumstehen.
Wir hatten im letzten Herbst 6 Wochen lang einen Tibeter und einen Nepalesi zu Besuch in unserer Fachstelle in Wergenstein. Das war ein wirklich sehr fruchtbarer Austausch mit gegenseitigem Lerneffekt und ich denke, dass es auch wichtig ist für den kulturellen Austausch, dass die Leute zu uns kommen. Ist ja auch im Kern ungerecht, dass wir uns die Mobilität leisten können und in Entwicklungsländer reisen. Oft verbunden mit der hehren Absicht zu helfen. Was mich bisweilen gar ärgert, ist die Tatsache, dass Entwicklungszusammenarbeit, wie alles in unserer kapitalistischen Welt, ein kommerziell interessantes Business wird. Aber da ist man der Globalisierung als Individuum auch etwas ohnmächtig ausgeliefert. Eindrücklich und beelendend zeigt dies ja der Film 'darwins nightmare' von Hubert Sauper - www.darwinsnightmare.com . Na ja, bleib kritisch und engagiert!
Ich freue mich auf deinen bericht!

Herzliche Grüsse
Stefan